Spaziergang am Siebenschläfer-Tag
Ein Spaziergang zum Siebenschläfer-Tag in Neue Mühle wurde mir kürzlich zu
einem Erlebnis besonderer Art.
Die Sonne hatte sich durch die Wolkendecke gekämpft. Als ich aus der Haustür
trat, wehte mir der Wind aus den benachbarten Gärten einen angenehmen Duft
und weiße Blütenblätter entgegen - der Jasmin blühte! Die schönen Sträucher
waren mit weißen Blütensternen besetzt, und auf dem Gehsteig ringsum sah es
aus, als ob es schneite.
Gleichzeitig zu diesem Blütensegen vernahm ich den Gesang einer Amsel. Ob
auch sie sich über die wenigen kurzen Sonnenstrahlen freute? Denn sie sang
ganz besonders lieblich und in verschiedenen Tönen. Wenn der kleine schwarze
Vogel mal eine Pause machte, ertönte aus dem Nachbargarten wie ein Echo
weiterer herrlicher Amsel-Gesang, und nach und nach fielen auch aus weiter
entfernten Ecken Amseln in diesen Chor mit ein.
Obwohl es nun schon eine Woche her ist, dass der Sommer begann, ist das
Wetter noch immer windig, kühl und zeitweise regnerisch. Wo bleibt denn
diesmal die warme Jahreszeit?
Glaubt
man der alten Bauernregel „Das Wetter vom Siebenschläfertag sieben Wochen
bleiben mag“, wird das angesichts des heutigen „Aprilwetters“ jetzt wohl
auch bis Mitte August so weitergehen. Als ich mich vorhin zum
„Siebenschläfer-Phänomen“ im Internet informierte, fand ich übrigens heraus,
dass der alte Spruch auch einmal wissenschaftlich getestet wurde und eine
ziemlich hohe Trefferquote hat: Er erwies sich in Berlin und Umgebung für 55
von 80, in München gar für vier von fünf Siebenschläfer-Tagen als richtig.
Kein Wunder, dass sich die klugen Landleute in meiner alten Heimat, dem
Elbetal im Sudetenland, auch nach diesem Wettergeschehen orientierten!
Der Siebenschläfertag hat übrigens nichts mit dem gleichnamigen,
ungewöhnlich lange winterschlafenden Nager (Glis glis L.) zu tun. Er beruht
vielmehr auf der Sage von den „siben slaffern“, die im 7. Jahrhundert durch
Bischof Gregor von Tours verbreitet wurde. Danach flüchteten sich im Jahre
251 während einer Christenverfolgung unter dem römischen Kaiser Decius
sieben junge Männer in eine Höhle bei Ephesus und wurden darin eingemauert.
Als man den Hohlraum 195 Jahre später - am 27.06.446 - öffnete, fand man die
Jünglinge in tiefem Schlaf vor.
Idyllischer Amselgesang, Jasmin-Duft & der Hauch der Geschichte im
Spiegelbild uralter Mythen werden bewirken, dass ich werde diesen erholsamen
Siebenschläfer-Spaziergang nie vergesse!
Lydia Radestock, im Juli 2004 |