Meine Walnussbäume

Mit einem Walnussbaum verbinden mich viele Kindheits-Erinnerungen. Es war ein solches Gehölz auf dem Hof meiner Eltern im Sudetenland, unter dem ich viele schöne Stunden verbrachte. Noch heute kann ich mich an die Märchen erinnern, die uns, meinem Bruder Franz, meiner Cousine Christl und mir, im Schatten dieses Baumes von unserer Großmutter erzählt wurden. Sie hat bei solchen Gelegenheiten auch viel über die Tiere und Pflanzen unseres Elbtals berichtet. Wir sind dann, auf diese Weise geprägt, später alle drei Naturfreunde geworden.
Leider ist dieser alte Nussbaum wie auch mein Vaterhaus in meiner alten Heimat, aus der wir von fast 60 Jahren vertrieben wurden, inzwischen nicht mehr vorhanden.

Auch an Eisenhüttenstadt an der Oder, wo ich in der Folgzeit 45 Jahre wohnte, verbinden mich viele schöne Erinnerungen mit einem Walnussbaum. Im Schatten dieses Riesen verbrachte ich mit meiner Freundin Edith Kutzner viele interessante Stunden im Gespräch

Edith schenkte mir eines Tages zwei winzige Nussbäumchen, die ich bei meinen Kindern im Hof sowie auf der Streuobstwiese des Forsthauses am Frauensee einpflanzte. Kurz vor ihrem Tode sagte sie mir dazu: "Damit Du eine Erinnerung an mich hast, wenn Du mal von Eisenhüttenstadt wegziehen wirst".
Die beiden Bäumchen haben nun schon eine richtige Krone und sind inzwischen um 7 Meter hoch gewachsen. Im vorigen Jahr haben sie - nach 10 Jahren - die ersten 4 Nüsse gebracht, worüber ich mich riesig freute.
Wenn es im Sommer sehr heiß und trocken war, bekamen sie auch immer etwas Wasser von mir.

Im Jahre 2003 hat ein weiterer Lebensabschnitt für mich begonnen; ich habe eine neue Heimat in der Senioren Wohnanlage des Arbeiter-Samariterbundes in Neue Mühle bei Königs Wusterhausen gefunden. Als ich die Betreiber fragte, ob ich auch hier wieder einen Walnussbaum pflanzen dürfte, waren sie sofort einverstanden, bereiteten mir sogar den Pflanzort vor und legten einen Pfahl bereit. 
Im März 2004 war es dann soweit: Werner Dronsz, ein Kollege meines Sohnes, schenkte mir ein prächtiges drei Meter großes Exemplar, und mein Sohn Klaus, mein Enkel Jörg und ich pflanzten den Baum in Sichtweite meines Schlafzimmerfensters ein.
Diesen Tag im Vorfrühling werde ich wohl auch deshalb in Erinnerung behalten, weil mich an jenem Nachmittag eine Gruppe Filmleute des RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg) besuchte, um für die Sendung "Brisant" einen Beitrag über die "Oma im Netz" zu drehen. Sie filmten auch die Pflanzung, und so werde ich dann neben den Fotos, die gemacht wurden, sogar ein Video zur Erinnerung haben.

In dem Moment, an dem ich meinen neuen Nussbaum in die Erde setzte, war ich mit meinem Gedanken auch bei unserem alten Baum im Elbtal sowie bei den anderen Walnuss-Gehölzen, unter denen ich schöne Stunden verbringen konnte und die mich alle ein Stück meines Lebens begleiteten. 
Nun hoffe ich, dass uns, meinem neuen Nussbaum und mir sowie meiner Familie und meinen Freunden, noch viele gemeinsame friedvolle und glückliche Jahre bevorstehen. 

Lydia Radestock, im März 2004

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