Mohn macht dumm?
Mohnkörner werden von alters her für verschiedene Backwaren und Speisen
verwendet. In jeder Gegend gibt es dazu andere Rezepte.
Auch zur Herstellung von Narkotika für die Medizin nutzt man sie – das
weiß ich noch von meiner Ausbildung und Tätigkeit als Hygiene-Aufseherin
in Halle her. Und seiner „benebelnden“ Eigenschaften wird Mohn natürlich
leider zunehmend (wie man nicht selten in der Zeitung lesen kann) von
labilen oder gelangweilten Menschen, die mit sich selbst nicht mehr
zurechtkommen oder dies vielleicht nie gelernt haben, als Rauschmittel
eingenommen. Ganze Mohnfelder soll man aus diesem Grund schon heimlich
angelegt haben. Heißt es etwa aus diesem Grund im Volksmund: „Mohn macht
dumm?“
Trotz dieses bösen Trends: Am bekanntesten ist der Mohn gottlob immer noch
von den Mohnsemmeln, -striezeln oder -hörnchen beim Bäcker. Hier wird er
manchmal auch noch für andere Teigwaren verwendet: Im Teig gefüllt und als
Buchteln oder Napfkuchen in einer Form gebacken, als Belag auf dem
Hefeteig für runde oder Blechkuchen ...
In meiner alten Heimat im Sudetenland gab es zu besonderen Festen die
runden größeren und auch ganz kleine Mohnkuchen. Sie waren mit Butter,
Zucker, Mehlstreuseln und Rosinen belegt. Die Kuchenränder wurden mit
Eigelb bepinselt, damit sie schön glänzten. Jede Hausfrau hatte ihre
besonderen geschmacklichen Gewürz-Zutaten.
Mitunter wurden diese Kuchen auch - häufchenweise bunt durcheinander -
noch mit Quark-, Pflaumen- oder Erdbeermarmelade und Apfelmus gebacken. Im
Sudetenland nannte man diese Zubereitung auf den Dörfern „Golatschen“ oder
„Mouhkuch’n“.
Schon
wegen dieser kleinen Kuchen gingen wir als Kinder bei den Festen gerne zu
unseren Verwandten (was damals vielleicht nicht ganz so langweilig war wie
für machen Kinder heute, weil man da noch viele andere Kinder traf, die
man manchmal lange nicht gesehen hatte), denn überall gab es für uns „Golatschen“
mit auf den Heimweg.
Und noch etwas: Zu Hochzeiten wurden diese kleinen Kuchen im ganzen Dorf
verteilt und hießen deshalb auch „Hugstkuch´n“ (Hochzeitskuchen).
Bei meinen letzten Besuchen in Tschechien habe ich erfreut feststellen
können, dass es die kleinen Mohnkuchen auch weiterhin zu kaufen gibt –
diese Tradition ist dort also nicht ausgestorben. Und die Dinger schmecken
fast wie früher!
Lydia Radestock, im Juni 1998 |