Die Gotlandschafe vom Haus des Waldes

Viele Jahre lang wurden in den 1990-ern seitens der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald am Märkischen Haus des Waldes, der Dienststelle meines Sohnes Klaus, drei Gotlandschafe auf den neben dem Grundstück gelegenen Försterwiesen gehalten. Der Naturschutzverband wollte damit einen Beitrag zur Landschaftspflege leisten, denn das feuchte Offenland wäre sonst mangels Mahd nach und nach zugewachsen.

 



Diese Försterwiesenbewohner - das waren ein nahezu schwarzer Schafsbock, zwei etwas hellere Schafe sowie (bis zum jeweiligen Verkauf) deren Junge.
Zu jeder Jahreszeit, ob Sommer oder Winter, waren sie draußen in der Natur. Als Schlechtwetteraufenthalt stand für die Tiere ein von den Zivildienstleistenden der Einrichtung betreuter Unterstand mit einer Futterkrippe für Heu und einigen Strohballen bereit.
Durch diese Wiese lief ein Wassergraben, über den als Übergang an einigen Stellen Bohlen gelegt waren, damit die Tiere überall grasen konnten.
Die ganze Anlage war mit einem 1,5 m hohen hölzernen Koppelzaun umgeben.

Die Gotlandschafe der Dubrow waren sehr zahme Tiere, die sich von jedem, der des Wegs kam, gern am Kopf und unter ihrem Kinn kraulen ließen.

Manchmal gab es aber auch Probleme. Besonders Jungtiere machten viel Mühe, bis sie eingewöhnt waren. Sie sprangen öfters über das Gatter, mussten im Wald gesucht werden oder kamen erst nach 2 - 3 Tagen zur Fütterung von allein zurück. Blökend standen sie dann vor dem Gatter und wollten wieder zu den anderen Schafen auf die Wiese.

Wenn man die Tiere rief, kamen sie selbst von der hintersten Ecke her angesprungen. Der große schwarze Bock, er wurde Max genannt, meist voran – er war der „Platzhirsch“. Obwohl er sehr grimmig aussah, war er meist freundlich. Kam er aber mit seiner Truppe an das Gatter, stieß er die anderen Tiere eifersüchtig zur Seite, um möglichst als Erster gekrault zu werden und dabei einige Brotrinden zu erhalten.

Die kleine Schafherde war natürlich immer auch eine Attraktion für die Waldschulkinder; manche von ihnen, die - wie viele Berliner - nicht mit Tieren aufgewachsen waren, konnten sich hier kaum losreißen und riskierten sogar, den Bus zu verpassen.
Besonders beeindruckend war immer, wenn die Kinder der Königs Wusterhausener Blindenschule zu Gast waren und die Schafe begreifen konnten – ihr Staunen über dieses Naturwunder war etwas sehr Schönes.
Mutige Kinder wagten es auch, auf Max zu reiten, aber nicht jeden Gast ließ er an sich heran. Manches lustige Hallo war zu hören, wenn der Bock mal wieder einen Reiter abgeworfen hatte. Meine Enkel Jörg, Hans und Maria führten dieses Schauspiel oft genug ihren Freunden vor.

 



Max war das Lieblingstier meines Sohnes Klaus, des Försters. Wenn er über die Koppel ging, kam er sofort angerannt, um eine exklusive Streicheleinheit zu bekommen.

Eines Tages musste der Tierarzt kommen, denn der Bock hat einen aufgedunsenen Bauch, wurde dann aber wieder gesund.

Im Frühling warfen die Mutterschafe stets ein bis zwei Lämmer. Fast alle waren gescheckt – sie hatten irgendeine schwarze Zeichnung in ihrer Wolle.

Jeden Sommer wurden die Schafe geschoren. Es war ein komischer Anblick, wenn sie von der Schur kamen: sie sahen so nackt und richtig schlank aus. Die wärmende Wolle war bis zum Winter aber immer wieder nachgewachsen.

Leider ist Max, der große schwarze Bock, am Ende eines Winters am Wassergraben des Nachts vom eisigen Bohlenübergang abgerutscht und ward ertrunken aufgefunden.
Nach diesem Unglück haben die Waldfreunde das Schaf-Experiment dann nach und nach aufgegeben und die restlichen Tiere ans nahegelegene Forsthaus Hammer abgetreten. Schade! Die interessante Schaf-Zeit am Haus des Waldes werde ich aber nicht vergessen.

Lydia Radestock, April 1997

zurück