Der Frühlingsbeginn und das „Prinzip Hoffnung“

Es ist Samstag, der 21. März 2010. Eigentlich hätten wir - kalendermäßig - heute Frühlingsanfang.
So habe ich es vor 78 Jahren in der Schule gelernt

Auf der Welt und in der Natur hat sich inzwischen vieles verändert. So ist das Wetter heute trotz der 10 Plusgrade und dem Regenschauer am Vormittag nicht gerade frühlingsmäßig.

Mein Enkel Hans hat bei strahlendem Sonnenschein gestern gemeinsam mit mir mein Beet im Hausgarten für die Neuanpflanzungen und die Ostergestaltung vorbereitet.
Die kürzlich erworbenen weißblauen Stiefmütterchen wollen wir aber erst kurz vor Ostern in das freie Beet zwischen die Vergissmeinnicht-Pflanzen einsetzen.

Als wir das schützende Winterreisig abnahmen, freuten wir uns, dass trotz des langen frostigen und schneereichen Winters die Schneeglöckchen und Krokusse um das Beet herum wieder erschienen waren. Auch Tulpen, Osterglocken und andere vorjährige Pflanzen hatten schon neue Triebe bekommen.



 

 

 

 

 

 

 

 

Wir können den Frühling auf diese Weise aber nicht nur sehen und uns an dem frischen Grün freuen – der Lenz dringt auch an unser Ohr: Balzrufe der Blaumeisen ertönen, während wir mit dem Beet beschäftigt sind. Dann gibt uns auch eine Amsel ein Solokonzert. Ist es zum Dank für das tägliche Winterstreufutter?

Die großen Birken rings um das Beet, an denen viele Meisen in den vergangenen Jahren als Nistkasten-Bewohner erfolgreich ihre Jungen großgezogen hatten, wurden im Winter gefällt.
Sie wiesen vertrocknete Zweige auf, und die Gefahr bestand, dass bei Sturm Fahrradfahrer, Fußgänger oder Anwohner durch herunter fallende Äste verletzt werden konnten.

Mein Enkel hat inzwischen jedoch drei neue Nistkästen mitgebracht und sie an andere Bäume in der Umgebung gehängt: an einen Weißdorn, eine Robinie und einen Bergahorn.
Mein unserem Haus zunächst stehender Nussbaum bleibt davon noch verschont – er ist nicht stark genug für eine solche Last. Aber bald kommt die Zeit (und ich will sie noch erleben), dass er auch zum „Kastenträger“ werden kann.
Möge er - in 150 Jahren könnte es soweit sein - so alt werden, dass er dereinst den Vögeln sogar als „Höhlenbaum“ Geborgenheit bietet. Die in unserer Wohnanlage lange nach mir Kommenden sollen sich dann seines Schattens, seiner Früchte sowie der gefiederten Nussbaum-Bewohner erfreuen - und sich dabei (vielleicht!) sogar an die Frau erinnern, die ihn einst pflanzte.

Was für ein schöner, angemessener und irgendwie nachhaltiger Gedanke an so einem Frühlingsbeginn: durch eine Baum-Pflanzung und seine Folgen den Mitmenschen und anderen nachgeborenen Mitgeschöpfen Gutes tun und dadurch (vielleicht!) in der Erinnerung der Leute bleiben.

Solches sowohl auf Hoffnung als auch auf Verantwortung begründetes Tun ist es wohl, durch das wir ein wenig Unsterblichkeit erlangen können – ganz egal, was einst kommen mag.
Immer besser verstehe ich nun endlich Martin Luther, dem die Worte zugeschrieben werden: „Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt zugrunde geht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.“

Bin ich nun „altersweise“, oder schon wieder „kindisch“, oder beides zusammen?

Lydia Radestock, im März 2010

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