Das falsche Heimchen

Einige Tage lang piepste es in meiner Wohnung, als ob eine Grille zirpen würde. Jede Ecke und alle Winkel suchte ich ab, um das Tier zu finden, welches mir inzwischen auf die Nerven ging. Ich sprühte sogar mit Insektenspray unter die Couch und in jede Ecke, denn die Geräusche waren Tag und Nacht zu hören.

Längst hatte ich auch die Familie meines Sohnes und meiner Tochter über diese Unruhe informiert. Es war zum Wahnsinnig werden!

Eines Tages besuchte mich mein Enkel Hans. Auch ihm erzählte ich gleich von diesen seltsamen Tönen. Er hörte sich das Zirpen an und sagte dann: „Oma, das ist der kürzlich von mir für Dich angebrachte Rauchmelder im Flur – er warnt Dich, dass er funktionslos wird, denn die Batterie geht zu Ende. Bei mir in Berlin war das genauso, und als ich sie ausgewechselt hatte, war wieder Ruhe in meiner Wohnung.“

So war es dann auch. Einige Tage später habe ich in der Encarta-Enzyklopädie etwas über die Grillen gelesen. Durch das Streichen der Schrillader am linken Vorderflügel entsteht das Zirpen der männlichen Grillen. Dieser monotone und durchdringende „Gesang“ soll die Weibchen anlocken. Und hier stand denn auch, dass es verdammt unangenehm - weil nervtötend werden kann, wenn so ein Insekt in eine Wohnung gelangt.

Nun ist die Technik also heute schon so weit, dass man mit einem Gerät sogar auf Rauch im Haus aufmerksam gemacht werden kann.
In meiner alten Heimat im Sudetenland war es früher so, dass die Dorf-Nachtwächter diese “Rauchmelder-Aufgabe“ erfüllten. Sie hatten die Pflicht, in der Nacht mehrmals durch das Dorf zu laufen und die Bevölkerung rechtzeitig vor einem Brand zu warnen, damit selbige sich und ihr Vieh in Sicherheit bringen konnten. Ich habe eine solche erfolgreiche Nachtwächteraktion einst selbst miterlebt. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte. Wie sich die Zeiten ändern!

Übrigens - als ich meiner Internet-Freundin Inge aus Berlin von dem „Grillen-Erlebnis“ berichtete, schrieb sie mir: „ ... was das unerklärliche "Zirpen" betrifft, da hatte ich auch ein ulkiges Erlebnis mit meinem Handy. Es war noch ziemlich neu und ich kannte mich noch nicht so ganz damit aus. Eines Nachts höre ich ein regelmäßiges Piepsen. Dann schwieg es wieder für einige Minuten und dann ging es wieder los. Ich stand auf und suchte wie eine Besessene nach der Ursache, weil ich dachte, es sei irgend ein Gerät beschädigt, das mich so warnt. Auf das Handy kam ich erst nach einer guten halben Stunde. Der Akku war leer. Ich habe mich vor meinen Badspiegel gestellt und mich gefragt, ob ich jetzt wohl alt werde.“



Lydia Radestock, im August 2005

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