Am Frauensee

 

400 Meter entfernt vom alten Forsthaus, das mein Sohn, der Förster, seit nunmehr genau 20 Jahren mit seiner Familie bewohnt, liegt inmitten ausgedehnter Kiefernwälder der Frauensee. Man sagt, er habe seinen Namen im 19. Jahrhundert erhalten, als die Berliner Hofgesellschaft zuweilen in der Dubrow jagte und dabei am Ufer des Sees eine Art Damenprogramm mit Picknick unter Pavillons stattfand.

In der Nähe des Westufers stehen drei Birken, die aus einem Stamm heraus gewachsen sind – der Forstort heißt deshalb seit langem „Drei Birken“. Unter diesen Bäumen befindet sich eine Bank, von welcher aus man über den in der Sonne glitzernden See eine schöne Fernsicht bis zum weit entfernten gegenüberliegenden Ufer genießen kann.

Oft habe ich von dieser Bank aus dem Gesang der Vögel, dem Rascheln der Blätter im Winde und anderen Geräuschen des Waldes und Wassers gelauscht: Zirpenden Grillen, quakenden Fröschen, schnatternden Enten, platschenden Fischen, bellenden Füchsen, dem „Rätsch“ des Eichelhähers, dem „Hiäh“ des Bussards ...
Ob im Frühling, Sommer, Herbst oder Winter - von diesem Platz aus ist zu jeder Jahres- und Tageszeit ein anderer schöner Eindruck zu hören, zu sehen, zu riechen oder zu fühlen.

Ein Wanderweg führt um den ganzen See. Auch von diesem Pfad aus hat man viele interessante Naturbegegnungen, denn im Wasser zieht sich bis ans Ufer heran ein Schilfgürtel mit idealen Brutmöglichkeiten für Vögel entlang: Wildenten, Blessrallen, Haubentaucher, Schwäne, Rohrdommeln ... gibt es dort. Etwas zur Seemitte hin ist eine kleine Partie mit gelben Mummeln zu bewundern. Wandert man den Fußweg weiter nach Osten, kommt eine Stelle, wo dicht am Ufer im Wasser herrliche weißrötliche Teichrosen blühen.

Störche, Wildgänse und Krähen kommen oft als Gäste zum Seeufer. Fischreiher, Kraniche und andere Großvögel (sogar einen Seeadler habe ich schon mal gesehen) kreisen über der Wasserfläche - sie holen sich ihre Beute, denn es gibt im Wasser des Frauensees viele Fischarten: Immer wieder springen große und kleine silberglitzernde Wasserbewohner aus dem See empor.
Einmal kam eine Entenmutter mit ihrer Kükenschar angeschwommen, und es gab plötzlich ein wildes Geschnatter: Ein großer Hecht hatte wohl ein kleines Küken unter die Wasseroberfläche gezogen – ich sah jedenfalls, dass eins fehlte. Die ganze Familie schwamm aufgeregt quakend und piepsend davon.

Im Frühling ist manches „Konzert“ zu vernehmen, wenn die Frösche Hochzeit halten. Mit aufgeblasenen Backen werben die etwas kleineren Männchen um ein Weibchen – oft mehrere zugleich, denn bei Froschens herrscht wohl beträchtlicher Männerüberschuss.
Die Weibchen schwimmen dann, ihre Kerle auf dem Rücken tragend, zwischen dem Schilf hin und her, um dort zu laichen .

Ab Mai sind tönt die Luft von den markanten Rufen von Kuckuck und der Pirol. Etwas später fliegen die Schwalben als Sommerboten dicht über das Wasser, um Insekten, besonders Mücken für, ihre Brut zu sammeln. Bunte Libellen mit ihren durchsichtigen Flügeln sowie Schmetterlinge jagen bei herrlichem Sommerwetter spielend über die glitzernde Fläche dahin.

Mäusebussardpärchen haben in den Wipfeln der Bäume im nahen Kiefernwald ihre Nester mit flüggen Jungen und locken sie zu ersten Flugversuchen. Die Rufe der Altvögel klingen wie das Mauzen einer Katze. Bachstelzenpärchen suchen in schlammigen Uferrändern wippend nach Futter für die Jungen. Zaunkönige und Meisen (darunter auch die ganz kleine Blaumeise) hört man zu unterschiedlichen Zeiten im nahen Gebüsch singen; auch Sperlinge tschilpen munter dazwischen. Stare, Ammer und Amseln jubilieren um die Wette singend ihr Lied.

Einander jagend springen über mir in den drei Birken Eichkätzchen von Ast zu Ast. Sogar ein Fuchs streift hier ab und an durch das Gebüsch. Auch Wildschweine hört man mitunter mit ihren Frischlingen zur Suhle im nur 50 m entfernten Kastanienwäldchen ziehen.
Ein Rehbock ist verärgert, weil er am Abend bei der Futtersuche durch lärmende Kinder aus dem nahen Feriendorf gestört wird. Sein lauter, kurz bellender Ruf schallt durch den Wald wie der eines Hundes, und ich muss unwillkürlich an meinen Spitz Rolf aus der alten Heimat denken.

Viele dieser Beobachtungen kann man aber nur wochentags machen, denn an den Wochenenden sind bei schönem Wetter die Badeplätze sehr besucht. Die große Badestelle am jenseitigen, weit entfernten Ostufer mit schönem hellen Sandstrand wird übrigens im Volksmund als „Schafschwemme“ bezeichnet.
Eine weitere, sogar mit Stegen versehene Badestelle befindet sich am Nordufer des Frauensees im Bereich des großen Feriendorfes. Dort geht es besonders in den Sommerferien sehr lebhaft zu. Manchmal wird es sogar richtig laut, wenn dröhnende Musikveranstaltungen stattfinden. Durch diesen Lärm werden die Tiere und Menschen der nächsten Umgebung sehr gestört. Ich frage mich dann immer, was die Leute, die so einen Krach brauchen, eigentlich hier an diesem kleinen Waldsee verloren haben – davon haben sie weiß Gott doch in ihren Städten genug!
Bloß gut, dass wenigstens Motorboote auf dem Frauensee nicht gestattet sind!

In der Nähe des Sees gibt es im Wald bei günstiger Witterung von August bis Oktober zahlreiche Pilze. Leider sind zu Beginn der Pilzjagd auch die Mücken noch aktiv und bei schwülem Wetter besonders aggressiv.
In den letzten Jahren nahmen in der ganzen Umgebung des Frauensee sommers über die Zecken zu. Man muss schon acht geben, wenn man so ein kleines Spinnentier an sich bemerkt, und es möglichst sofort entfernen.

Trotzdem: Man kann sich am Frauensee gut erholen – nicht nur als Frau!
 


Lydia Radestock, im Juli 1995

zurück